Das Land der Anderen

BuchcoverMathilde stammt aus dem Elsass, sie ist abenteuerlustig und verliebt sich gegen Ende des zweiten Weltkriegs in den gut aussehenden Amine Belhaj. Der Marokkaner steht im Dienst der französischen Armee und heiratet Mathilde, als diese gerade mal zwanzig Jahre alt ist.

Die junge Französin folgt ihrem Ehemann in dessen Heimat nach Meknés. Dort leben Amines Mutter Mouilala, seine kleine Schwester Selma und sein hitzköpfiger Bruder Omar in einem großen Haus inmitten der Medina.

Mathilde musste sich an dieses Leben gewöhnen, alle miteinander im dem Haus, dessen Matratzen voller Wanzen und Ungeziefer waren und in dem es kein Entrinnen gab vor den Körpergeräuschen und dem Schnarchen der Anderen.
LEïLA SLIMANI - Das Land der Anderen

Doch nach einem stürmischen Wiedersehen der Frischverliebten geht die Reise weiter. Am Fuß des Atlasgebirges gehören Amine ein bescheidener Hof und ein karges Stück Land.

Der ehrgeizige junge Mann träumt davon, sein Erbe in ein ertragreiches Landgut zu verwandeln. Er studiert moderne landwirtschaftliche Methoden und versucht sich an der Zucht von Zitrusfrüchten. Doch die Erträge bleiben spärlich.

Das Paar bekommt zwei Kinder, Tochter Aïcha und den jüngeren Selim. Bald schleicht sich Gereiztheit in die Ehe ein, Missernten machen aus Amine einen unwirschen Mann. Mathilde leidet an Einsamkeit und ihrem ablenkungsarmen Leben.

In Briefen fabuliert sie, schildert ihrer Schwester Irène das Leben in Marokko in leuchtenden Farben. Als der Vater stirbt, reist Mathilde allein in den Elsass. Dort vertraut sie sich ihrer Schwester an und spielt mit der Versuchung, für immer in Frankreich zu bleiben …

In den Briefen ... log Mathilde. Sie gab vor, ihr Leben gliche den Büchern von Karen Blixen, Alexandra David-Néel, Pearl S. Buck. Sie erfand Abenteuer, in denen sie ihre Begegnungen mit sanftmütigen und abergläubigen Einheimischen in Szene setzte.
LEïLA SLIMANI - Das Land der Anderen

Zwischen Ausgrenzung und Aufbegehren

In ihrem Roman greift die französisch-marokkanische Schriftstellerin Leïla Slimani die Geschichte ihrer Großmutter auf und erzählt vom Leben einer Auswanderin in den Fünfzigerjahren.

Mathilde sitzt zwischen allen Stühlen, die Marokkaner ächzen unter dem Joch des Protektorats und bringen Franzosen wenig Wohlwollen entgegen. Mathilde wird beäugt und nur notgedrungen geachtet, findet in der Nachbarschaft keinen Kontakt.

... sie fürchtete, dass sie eines Tages, als alte Frau auf diesem fremden Boden, nichts besitzen würde und nichts vollbracht hätte.
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Und auch ihre Tochter Aïcha leidet. In der Klosterschule findet sie keine Freundinnen, die französischen Mitschülerinnen verspotten sie wegen ihres südländischen Teints und der krausen Haarmähne.

Fernab von Frankreich kehrt Amine zu alten Gepflogenheiten zurück. Er erwartet, dass sich seine Frau unterordnet, hiesige Sitten und Gebräuche respektiert. Doch Mathilde braucht Luft zum Atmen und bricht von Zeit zu Zeit aus. Zu einer echten Zerreißprobe kommt es, als Amines bildschöne Schwester Selma eine Liaison mit einem jungen Franzosen beginnt.

Mathilde erkennt in Selma ihren geplatzten Träume wieder und unterstützt ihre Schwägerin heimlich. Doch das Abenteuer endet fatal, Amine stürzt seine Schwester ins Unglück.

Sie hasste diesen Bruder, der ihr alles verbot, sie als Hure beschimpfte und ihr schon mehrmals ins Gesicht gespuckt hatte. Tausendmal hatte sie ihm den Tod gewünscht und Gott dafür verflucht, dass sie unter der Herrschaft eines so gewalttätigen Mannes leben musste.
LEïLA SLIMANI - Das Land der Anderen

Mit dem brillanten Pageturner »Dann schlaf auch du« hat Slimanis neuer Roman nur wenig gemein. Die Sprache ist hier üppiger und bildreicher, das Erzähltempo vergleichsweise gemächlich. Die Handlung schweift ab, und streift auch das Leben der zahlreichen Nebenfiguren. Der ausschweifendere Stil passt zum Sujet, der Roman gewinnt dadurch an Tiefe und Würze.

Ein facettenreicher Familien- und Gesellschaftsroman, der vor dem Hintergrund von Rassismus und kolonialem Erbe eine Frau porträtiert, die in einer zutiefst patriarchalischen Gesellschaft ihr Glück behaupten will.


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