Parvin Schams hat ihren Studienabschluss in Berkeley gerade hinter sich gebracht, da zerbricht ihr gewohntes Leben. Nach dem Tod ihrer Mutter zieht der Vater zu Parvins verheirateter Schwester, sie selbst steht ohne Bleibe da.
Unvermittelt auf eigene Füße gestellt, besinnt sich Parvin auf ihre afghanischen Wurzeln. Schon länger ist sie fasziniert vom humanitären Engagement des Augenarztes Gideon Crane, seine Geburtskliniken retten in afghanischen Dörfern Leben. Auf den Spuren seines Reports »Mutter Afghanistan« reist Parvin in das Land ihrer Eltern.
Von Kabul aus erreicht sie über eine abenteuerliche Straße jenes abgelegene Dorf, in dem Cranes dramatische Geschichte ihren Anfang nahm. Dort starb Fereschta bei der Geburt ihres siebten Kindes.
Heute leuchtet die von Crane gestiftete Geburtsklinik in strahlendem Weiß aus der kargen Landschaft. Hier will Parvin ihre Studien über Frauengesundheit fortsetzen und untersuchen, wie Cranes Stiftung das Leben der Frauen verändert hat.
Doch bald ahnt sie, dass Crane die Welt getäuscht hat. Die Klinik ist außer Betrieb, das Leben der Frauen hat sich kaum verändert.
Als das US-Militär mit den Dorfältesten über den Ausbau der Straße verhandelt, lernt Parvin Cranes Übersetzer Asis kennen. Von ihm erfährt sie, was damals wirklich geschah …
Blick in den Zerrspiegel
In diesem Roman ist nichts so, wie es zunächst scheint. Amy Waldman schickt ihre Hauptfigur Parvin auf eine Reise ins Unbekannte, bei der diese wie auf Klippen von Lüge zu Lüge springt und nur langsam Halt findet.
Als die junge Frau bei ihrer Gastfamilie ankommt, spürt sie schlagartig, dass sie doch sehr viel amerikanischer ist, als sie es sich in den USA vorstellen konnte. Geschockt von den primitiven Lebensumständen verlangt sie nach einem eigenen Zimmer und erhält für ihre Dollars Obdach im stinkenden Ziegenstall.
Am liebsten würde sie sofort wieder abhauen und ihre Siebensachen gar nicht erst auspacken. Doch weil es zu peinlich wäre aufzugeben, reißt Parvin sich zusammen und beschließt durchzuhalten.
Schnell erweisen sich ihre guten Sprachkenntnisse des afghanischen Dari als Segen, nach und nach fasst Fereschtas Familie Vertrauen zu ihr. Doch als Parvin den Frauen des Dorfes aus »Mutter Afghanistan« vorliest, erntet sie Gelächter.
Cranes Selbstdarstellung entpuppt sich geschöntes Zerrbild, sein »Tatsachenbericht« als ein blumiges Märchen. Aufgeregt sendet sie erste Berichte an ihre Professorin in der Heimat.
Packend und wendungsreich erzählt »Das ferne Feuer« von geschönten Wahrheiten und fatalen Lügen, von gestürzten Vorbildern, Geltungssucht, mangelnder Loyalität und dem fast unerschütterlichen Glauben an die eigene moralische Integrität. Zu spät erkennt Parvin, dass auch sie Öl in das Feuer schwelender Konflikte gießt.
Wie in ihrem gefeierten Debut »Der amerikanische Architekt« blickt Amy Waldman erneut hinter die Fassade vermeintlicher moralischer Überlegenheit. Ein ergreifendes Schicksal erweist sich als geschickt lancierte Story, wird zum Nährboden für Selbstgerechtigkeit und Doppelmoral.
Ein abgründiger Pageturner mit vielschichtigen Figuren, der vor dem Hintergrund eines komplexen Krieges auch vom Kampf um die Deutungshoheit erzählt.