Rio de Janeiro, 1950. Die Schwestern Guida und Eurídice wachsen in einem wohlhabenden Elternhaus auf. Dort mangelt es ihnen an nichts, aber die traditionellen Vorstellungen des konservativen Vaters lassen keinen Platz für die Sehnsüchte der jungen Frauen.
Der Vater kennt für seine Töchter nur ein Ziel: sie sollen gute Ehefrauen und Mütter werden. Doch die begabte Eurídice träumt von einer Karriere als Konzertpianistin und die leidenschaftliche Guida will tanzen, ausgehen, leben. Sie ist unsterblich in den griechischen Seemann Yorgos verliebt und reist mit ihm heimlich nach Europa.
Monate später kehrt Guida allein in ihr Elternhaus zurück. Den untreuen Yorgos hat sie verlassen, aber sie ist schwanger und hofft auf die Hilfe ihrer Eltern. Doch der Vater weist ihr die Tür und unterbindet den Kontakt der beiden Schwestern. Er gibt vor, Eurídice sei zum Klavierstudium nach Wien gegangen.
Guida kommt in einem Armenviertel unter und findet bei der resoluten Filomena so etwas wie eine neue Familie. Während sie in der Fabrik schuftet und ihren Sohn allein großzieht, schreibt sie sehnsüchtige Briefe an Eurídice, in der Hoffnung, die Mutter werde sie nach Wien weiterleiten.
Unterdessen heiratet Eurídice, ohne Liebe, ohne Lust, ohne Leidenschaft. Die Ehe ist für sie ein Gefängnis, das ihre Träume von Konversatorium zunichte macht.
Jahrelang leben beide Schwestern in Rio, ohne zu wissen, dass die andere ganz in der Nähe ist …
Tropisches Melodram
Der Roman »Die vielen Talente der Schwestern Gusmão« von Martha Batalha inspirierte den brasilianischen Regisseur Karim Aïnouz zu diesem tropischen Melodram. Ihm war es wichtig, die Macht der Emotionen auf die Leinwand zu bannen und gleichzeitig mit der prüden amerikanischen Spielart des Genres zu brechen.
Sein Film erzählt in betörenden Bildern von zwei Frauen, denen Männer verwehrten, ihre Träume zu leben: die Väter, Ehemänner, Ärzte und Liebhaber. Der Alltag im Rio der Fünfziger- und Sechzigerjahre ist geprägt von Machismo und einem Frauenbild, das nur zwei Rollen vorsah: Hure – oder Ehefrau und Mutter.
Guida bricht aus den vorgegebenen Bahnen aus und bezahlt teuer dafür, mit dem Verlust ihrer Familie, die sie nie wieder sehen darf. Eurídice ahnt von alledem nichts, sie fügt sich in die Ehe und gibt es nicht auf, nach ihrer Schwester zu suchen. Darüber verpasst sie ihr eigenes Leben.
Der Film ist ein Melodram im besten Sinne, ein Rausch der Farben und Gefühle, aber auch der harten, dreckigen und brutalen Momente. Gekonnt spielt Regisseur Karim Aïnouz (Futuro Beach) mit den Regeln des Genres und verleiht ihm eine dunkle und schroffe Note.
Großes Kino, das von den beiden wunderbaren Hauptdarstellerinnen Julia Stockler (Guida) und Carol Duarte (Eurídice) getragen wird. Der Film räumte etliche Preise ab, darunter den Hauptpreis in der Sektion »Un certain regard« beim Festival in Cannes 2019 und den Preis für die beste Regie in Valladolid. Gedreht wurde an Originalschauplätzen in Rio de Janeiro.