1952. Die Kommunistin Charlotte und ihr zweiter Ehemann Wilhelm Powileit kehren aus dem mexikanischen Exil zurück. Beide brennen darauf, in der DDR den neuen sozialistischen Staat mit aufzubauen.
Zehn Jahre später leben sie in einem großzügigen Haus, bekleiden Posten in der Verwaltung, sind angesehen in der Partei.
Und auch Kurt ist zurückgekehrt, der verschollene Sohn, entlassen aus der Lagerhaft im sibirischen Slawa. Im Gepäck hat er Irina und Alexander, seine russische Ehefrau und den gemeinsamen Sohn. Die lebenslustige Irina wird zum strahlenden Zentrum ihrer kleinen Familie.
Doch mit den Jahren beginnt das Glück zu schmelzen. Kurt quält die Erinnerung an den Gulag, Irina hadert mit dem Alter und beginnt zu Trinken.
Der heranwachsende Alexander rebelliert, treibt sich herum, heiratet, schmeißt sein Studium, verlässt Frau und Kind, und haut schließlich ab, in den Westen.
Als Wilhelm im Oktober 1989 seinen Neunzigsten feiert, kommt es auf der großen Feier zum Eklat …
Schweigen, Feiern, Leben
Was für eine Familie! Basierend auf seiner eigenen Biografie hat Eugen Ruge einen prallen Gesellschaftsroman geschrieben, der über die Grenzen der DDR hinaus führt. Er selbst wurde als Kind eines Deutschen und einer Russin im Ural geboren, aus seiner Geburtsstadt Soswa machte er im Roman den Ort »Slawa«.
Die Geschichte beginnt mit den Mexiko-Heimkehrern Charlotte und Wilhelm, beide stramme Parteisoldaten, Charlotte jedoch innerlich zerrissen. Und sie endet mit deren Urenkel Markus, der in der Nachwendezeit mit den Rechten sympathisiert.
Ruge erzählt von geplatzten Idealen und dem kleinen Glück, von Linientreue und geheimer Rebellion, von Sprachlosigkeit inmitten vieler Worte, von Liebe und Verachtung. Und vom Aufbruch in eine neue Zeit, den die Alten nicht mehr mitgehen können und wollen.
Mit kantigen Figuren und herrlich bissigen Dialogen spiegelt der Roman die großen Themen in den kleinen Dramen des Alltags, zu denen auch ein phänomenal misslungenes Weihnachtsfest gehört.
»In Zeiten des abnehmenden Lichts« glänzt mit seiner klaren Sprache und dem subtilen Witz. Herausgekommen ist eine sehr unterhaltsame Familienchronik, die einiges über das Leben in der DDR und die hiesigen Nachkriegsbiografien erzählt. Mehrfach preisgekrönt, unter anderem mit dem Deutschen Buchpreis.
Ulrich Noethen (Ostende 1936) liest das Hörbuch brillant, er verleiht jeder der Figuren eine ganz eigene Stimme. Im Jahr 2017 wurde das Buch von Matti Geschonneck (Unterleuten) verfilmt.
Mehr über die kommunistischen Mexiko-Exilanten erzählt der dokumentarische Roman »Brennendes Licht« von Volker Weidermann. Der Film »Und der Zukunft zugewandt« greift das Thema deutscher Gulag-Internierter auf und erzählt von der zu Unrecht verurteilten Antonia, die 1952 in der DDR neu anfangen will und über das Erlebte schweigen muss.
Ruges packender Roman »Metropol« handelt von Charlottes und Wilhelms Vorgeschichte: in den Dreißigerjahren lebt das Paar in Moskau und gerät in den Alptraum von Stalins Säuberungsmaschinerie. Eugen Ruges Vater Wolfgang (aka »Kurt«) erzählt in »Gelobtes Land« von seinen Jahren in der Sowjetunion.