Es ist Sommer und es ist heiß in Beirut. Toni und seine Frau Shirine freuen sich auf ihr Baby, das sie in wenigen Wochen erwarten. Shirine würde gern aufs Land ziehen, nach Damour, in das Haus von Tonis Familie.
Doch Toni wiegelt ab. Hier hat er seine gut gehende Autowerkstatt, hier hat er alles, was er zum Leben braucht.
Unten auf der Straße läuft Yasser am Haus vorbei, mit seiner Baubrigade saniert er die Häuser des Viertels. An Tonis Balkon entdeckt er ein illegal montiertes Abflussrohr und repariert es, obwohl Toni das zuvor strikt abgelehnt hat.
Für Toni ist das ein unglaublicher Affront. Er zertrümmert das neue Rohr, beleidigt Yasser übel und besteht auch noch darauf, dass Yasser sich entschuldigt. Dieser lenkt erst ein, als sein Chef ihm zu einer Entschuldigung zwingt.
Doch der halbherzige Versuch geht völlig in die Hosen. Toni provoziert Yasser erneut, Yasser schlägt zu und bricht Toni zwei Rippen. Der Fall landet vor Gericht.
Doch während die mediale Aufregung steigt, lernen Yasser und Toni sich unfreiwillig besser kennen …
Keiner hat das Monopol auf Leid
Ein Streit um ein banales Abflussrohr weitet sich zu einer grotesken Fehde aus. Was zunächst völlig absurd erscheint, erweist sich Stück um Stück als ein Ventil für lang verdrängte Gefühle.
Regisseur Ziad Doueiri inszeniert die zweite Hälfte der Geschichte als spannendes Gerichtsdrama, in der die Anwälte die Wurzeln des Streits ans Licht bringen: Toni ist ein libanesischer Christ, der als Kind aus seinem Heimatdorf vertrieben wurde, Bauingenieur Yasser lebt als palästinensischer Flüchtling im Libanon. Beide sind Vertriebene, beide sehen in dem anderen einen Schuldigen.
Der Film erzählt von ihrer Sehnsucht nach Gerechtigkeit und dem zaghaft aufflammenden gegenseitigen Respekt. Denn bei allen Unterschieden eint Yasser und Toni doch eins: das brennende Gefühl, dass man ihr erlittenes Unrecht einfach übergeht.
»Der Affront« ist eine wendungsreich inszenierte Tragikomödie, die eine tief gespaltene libanesische Gesellschaft zeigt. Hier die Christen, dort die Juden, da die Moslems und mittendrin die Palästinenser. Man definiert sich entlang religiöser, politischer und ethnischer Gräben. Doch darüber hinaus erzählt dieser Film auch eine universelle und zutiefst menschliche Geschichte, die von der Sprengkraft der Verbitterung handelt.
Ein Gefühl, das uns auch in Europa betrifft. Als Resultat gebrochener Lebenslinien, wie sie im Osten Deutschlands durch die Wiedervereinigung entstanden, oder in ganz Europa durch die sozialen Verwerfungen des Neoliberalismus.
Regisseur Doueiri (The Attack) wuchs selbst während des Bürgerkriegs im Libanon auf, heute lebt er in Frankreich. Eine persönliche Geschichte gab ihm den Anstoß zu diesem Film: Er selbst gerät in Beirut in einen heftigen Streit mit einem Klempner und löste damit eine ähnliche Kettenreaktion aus wie im Film.
»Der Affront« ist ein kluger und sehr unterhaltsamer Film, der in 2018 als bester ausländischer Film für den Oscar nominiert war. Gedreht wurde er an Originalschauplätzen in Beirut und in dem nahegelegenen Dorf Damour.