Capernaum

Capernaum - Szenenbild
Zain und seiner Geschwister müssen arbeiten / © Alamode

Zain lebt in Beirut und ist zwölf Jahre alt. Ungefähr, denn genau weiß das niemand. Der Junge hat keine Papiere – und auch die Eltern wissen nicht mehr, wann er geboren wurde.

Zain hat ein Verbrechen begangen und sitzt im Knast. Jetzt steht er wieder im Gerichtssaal, um seine Eltern zu verklagen. Weil sie ihn gezeugt haben, obwohl sie sich nicht um ihn kümmern. Dem Richter erzählt er, was ihm widerfuhr.

Es ist die Geschichte eines Jungen, der sieht, wie seine Eltern die elfjährige Schwester verheiraten. Mit dem Vermieter, um die schäbige Unterkunft zu behalten. Das jüngste Kind ketten die Eltern daheim an, die anderen müssen arbeiten. Es ist eine Familie, in der Gewalt und Schläge an der Tagesordnung sind. Alles erscheint besser, als dort zu bleiben.

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Rahil lebt illegal im Libanon / © Alamode

Zain haut ab und findet bei der Äthopierin Rahil einen Unterschlupf. Die junge Frau lebt illegal im Libanon und schlägt sich mit mehreren Jobs durch. Als Putzfrau, als Klofrau – egal. Hauptsache Arbeit. Ihr Baby Yonas packt sie in einem Einkaufstrolley und versteckt ihn in ihrer Nähe, während sie arbeitet.

Rahil nimmt Zain in ihrem ärmlichen Blechverschlag mit auf. Tagsüber passt er auf Yonas auf, er füttert das Baby und spielt mit ihm. Rahil kann nun unbeschwerter arbeiten, abends teilt sie ihr Essen mit Zain und geht liebevoll mit ihm um.

Doch dann verschwindet Rahil spurlos. Zain muss sich selbst und den kleinen Yonas durchbringen …

Ein Film wie ein Aufschrei

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Zain kümmert sich um den kleinen Yonas / © Alamode

Was für ein Film. Kraftvolle, harte und poetische Bilder. Schauspieler, deren Augen alles sagen. Ein Soundtrack, der einen magischen Sog entfaltet. »Capernaum« ist ein beinahe dokumentarischer Film, der zeigt, was Kino vermag.

Die Geschichte wird aus der kindlichen Perspektive Zains erzählt, die märchenhafte Gerichtsverhandlung bildet den Aufhänger für eine Odysee durch die bittere Realität der Slums vom Beirut.

Bis auf die Regisseurin selbst – die eine kleine Rolle als Zains Anwältin übernahm – sind sämtliche Schauspieler Laien, deren Schicksale sich mit denen ihrer Figuren überschneiden.

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Zain sieht keinen Ausweg mehr / © Alamode

Yordanos Shiferaw (Rahil) stammt selbst aus Etritrea, sie arbeitete als Schuhputzerin und Parkwächterin und lebte auf der Straße. Danach wurde sie Dienstmädchen, floh aber vor ihrem Dienstherren und lebte und arbeitete illegal in Beirut. Wie ihre Figur im Film wurde Yordanos im Dezember 2016 als illegale Einwanderin während der Dreharbeiten verhaftet und festgehalten.

Zain al Rafeea (Zain) stammt aus Syrien. Seine Familie floh mit den vier Kindern vor dem Krieg in den benachbarten Libanon. Anders als im Film wird Zain von seinen Eltern geliebt, doch wegen der bitteren Armut musste er schon als Zehnjähriger arbeiten. Mit Hilfe von UNHCR konnten Zain und seine Familie inzwischen nach Norwegen auswandern. Dort kann Zain endlich zur Schule gehen.

Nadine Labaki stammt selbst aus Beirut, sie arbeitet als Regisseurin, Drehbuchautorin und Schauspielerin. In ihren Filmen – wie dem Spielfilmdebut »Caramel« – setzt sie sich besonders für die weibliche Emanzipation ein. Labakis Ehemann Khaled Mouzanar schrieb die Filmmusik.

In 2018 gewann »Capernaum« in Cannes den Preis der Jury, in diesem Jahr ist der Film für den Oscar nominiert.

Ein herausragendes Werk, getragen von den virtous agierenden Laienschauspielern. Allen voran Zain al Rafeea, der sich die Seele aus dem Leib spielt und das Elend mit jeder Faser seines Körpers herausschreit.

Ganz großes Kino. Ein Film, der aufrüttelt und dessen Bilder lange nachhallen.

Capernaum - Stadt der HoffnungAlamode
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