Wie viele Jahre ist es her, dass sich Teddy, Lincoln und Mickey zuletzt gesehen haben? In ihrer Studienzeit waren die drei beste Freunde. Und alle waren sie in dieselbe Frau verliebt: in die unangepasste Jacy Calloway, Tochter vermögender Eltern.
Doch nach ihrem Abschlusswochenende, das sie gemeinsam mit Jacy auf Martha’s Vineyard verbrachten, ging alles auseinander.
Mickey kam seiner Einberufung nach Vietnam zuvor, er floh nach Kanada und schlug sich dort mit einer Rockband durch. Lincoln heiratete die ebenso schöne wie lebenstüchtige Anita, er bekam Kinder und lebte fortan ein wohltemperiertes Leben.
Und Teddy? Aus dem scheuen jungen Mann wurde ein zurückgezogener Mensch, dem nichts richtig gelang. Weder im Beruf, noch in der Liebe. Und niemand ahnt den wahren Grund.
Vier Jahrzehnte später kommen die Freunde erneut in Chilmark auf Martha’s Vineyard zusammen, für ein paar Spätsommertage, bevor Lincoln das Sommerhaus seiner ehemals vermögenden Mutter zu Geld macht.
Doch über dem Wiedersehen liegt ein Schatten. Keiner von ihnen hat vergessen, dass Jacy hier vor vierzig Jahren spurlos verschwand …
Hinter den Fassaden
Drei Mittsechziger treffen sich noch einmal auf der Insel der Reichen und Schönen, dem Ort, wo sie einst einen Schlussstrich unter ihr Studentenleben zogen.
Richard Russo erzählt in seinem Roman von vier Menschen, die auf grundverschiedene Weise an ihren Eltern litten und deren Leben sich ganz anders entwickelte, als sie es in ihren jungen Jahren erträumt hatten. Die Schwärmerei der Freunde für die junge Jacy und das Trauma ihres spurlosen Verschwindens wird zum Spiegelbild ihrer verlorenen Jugend.
Vier Jahrzehnte später kratzen die Freunde nur vorsichtig an den polierten Oberflächen. Nach und nach gelingt es ihnen, den angeschlagenen und gelegentlich auch verzweifelten Menschen zu sehen – hinter der Fassade des alten Kumpels.
Russo nimmt sich Zeit für seine Protagonisten, um von den Zwängen, Schicksalsschlägen und Weggabelungen zu erzählen, die rückblickend ein ganzes Leben prägen. Das malerische Flair der Ferieninsel kontrastiert die Wehmut dreier Menschen, die spüren, dass ihr eigener Sommer längst hinter ihnen liegt. Eine Stimmung, die an die Elizabeth Strouts Neuengland-Romane (Mit Blick aufs Meer, Die langen Abende) erinnert.
Ein vielschichtiger und unterhaltsamer Roman über Freundschaft und Fremdheit, Scham und Unsicherheit, dem das Geheimnis um Jacy eine ordentliche Prise Spannung verleiht.