Das perfekte Gift

BuchcoverDer Überläufer Wyrin ist seinem alten Leben entflohen. Ein neues Aussehen dank plastischer Chirurgie, eine neue Identität dank neuer Freunde. Doch die Vergangenheit holt ihn in einem Biergarten heim.

Ein kleiner Pieks nur, ein vermeintlicher Wespenstich. Der sich kurz darauf als Anschlag entpuppt. Der russische Geheimdienst hat Wyrin mit einem Nervengift eliminiert.

Seiner Ausbildung nach war Kalitin Chemiker, er wusste viel über den menschlichen Körper, aber nur aus einem engen, spezifischen Blickwinkel: wie man diesen Körper tötet.
SERGEJ LEBEDEW - Das perfekte Gift

Entwickelt wurde der Kampfstoff auf einer sowjetischen Insel. Dort fand der russische Chemiker Kalitin einst seine Berufung, widmete sich der Perfektion des lautlosen Mordes. Sein Gift arbeitet schnell und hinterlässt keine Spuren.

Sergej Lebedew, Das perfekte Gift: Schauplatz InselDer Zerfall der Sowjetunion setzte jedoch einen Schlußstrich unter jene Epoche, auf die Kalitin jetzt wehmütig zurückblickt. Der Wissenschaftler floh von der Insel und setzte sich ab in den Westen.

Das erste Mal hatte er die Insel von der Fähre aus gesehen. Über dem Fluss lag der Spätherbst, die Insel tauchte aus Nebelschwaden auf, allem ringsherum entfremdet, fern, zauberhaft.
SERGEJ LEBEDEW - Das perfekte Gift

Dort wird er für das russische Regime zur Gefahr, denn Kalitin ist einer der wenigen, der den Mord an Wyrin sofort durchschaut. Zwei russische Geheimdienstler werden auf ihn angesetzt und brechen auf nach Prag …

Vom Gulag zum Giftmord

Der Klapptentext kündigt das Buch als »literatischen Thriller« an, was gleichzeitig über- als auch untertrieben ist. Für einen Thriller fehlt es dem dem Roman an nervenzerreißender Suspense, stattdessen entpuppt sich die Geschichte als ausgefeiltes literarisches Gesellschaftsporträt.

Das Kloster auf den Solowezki-InselnIn einprägsamen Bildern schlägt Sergej Lebedew den Bogen vom sowjetischen Gulag über »verbotene Städte« (in denen unter anderem an Kampfstoffen geforscht wurde), bis hin zu den russischen Giftmorden der Gegenwart.

Ihm gefällt das Bild der geheimnisvollen, angsteinflößenden Zitadelle, die über die Umgebung herrscht. Es wäre schade, wenn die Einheimischen gar nichts wissen würden. Das nähme seinem Leben eine gewisse Würze.
SERGEJ LEBEDEW - Das perfekte Gift

Kalitins geliebte Insel erinnert an die Solowezki-Inseln, den Ursprung des sowjetischen Gulags. Dort geht der Chemiker über Leichen, schreckt auch vor Menschenversuchen nicht zurück und lässt Ehefrau Vera über die Klinge springen.

Sergej Lebedew, Das perfekte Gift

Der Ermordete Wyrin steht für die russische Gegenwart, der Giftanschlag auf den Staatsfeind erinnert an Attentate wie die auf Sergej Skripal oder Alexej Nawalny (obwohl das Buch im Original bereits 2019 erschien, ein Jahr vor dem Anschlag auf Nawalny).

Die Angst wurde zur Beigabe aller Speisen, zum Schatten aller Gefühle, zum Echo aller Geräusche.
SERGEJ LEBEDEW - Das perfekte Gift

Die Empathielosigkeit und Kälte seiner Protagonisten strömt dem Roman aus allen Poren, gelegentlich gemildert durch Passagen schwarzen Humors. Dieser tiefschwarze Grundton macht die Lektüre streckenweise schwer verdaulich. Und dennoch ist es ein lesenswertes, ebenso aktuelles wie zeitloses Buch.

Denn Sergej Lebedew erzählt eine universelle Geschichte, vom Gift staatlichen Terrors, das zuerst seine Opfer und dann eine Gesellschaft lähmt.


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