Sterben im Sommer

Zsuzsa BánkNoch einmal möchte der Vater seinen ungarischen Sommer erleben. Noch einmal am Balaton sitzen, das Wasser riechen, unter Bäumen im Garten des Sommerhauses sitzen. Es ist seine alte Heimat, aus der er 1956 fliehen musste.

Doch der Vater ist schwer krank, der Kampf gegen den Krebs bereits verloren. Die Familie hat ihm diese letzte Reise ermöglicht, aber eine akute Krise zwingt ihn ins Spital.

Immer haben mich meine Eltern so selbstverständlich, mühelos auf ihre leichte Art umgeben – dass es in den vergangenen Jahren jeden Tag hätte vorbei sein können, habe ich nie zu ernst genommen, aber doch geahnt und mit ein paar abseits liegenden, versteckten Nervenenden gespürt.
ZSUZSA BáNK - Sterben im Sommer

Zunächst bringt man ihn ins österreichische Eisenstadt, dann nach Mistelbach, eine Stunde nördlich von Wien. Nach quälenden Wochen wird er endlich in die Heimat verlegt.

Frankfurt am MainDort ächzt Frankfurt unter einem glühenden Sommer. Es beginnen Wochen zwischen Bangen und Hoffen, Unruhe, Erschöpfung – und der Angst vor dem was kommt.

An Schlafen ist nicht mehr zu denken, die Nacht ist zerpflückt von Unterbrechungen, die Nacht ist kein Ort der Ruhe mehr, die Nacht ist ein Ort des Aushaltens und des Überstehens.
ZSUZSA BáNK - Sterben im Sommer

Ein Jahr emotionalen Aufruhrs

Dieses Buch ist das erste Zsuzsa Bánks, das nicht fiktional ist. Nach dem Tod ihres Vaters beherrschte die Trauer ihre Gedanken und sie entschloss sich, über etwas zutiefst Privates zu schreiben: das Sterben ihres Vaters und das Wechselbad der Gefühle, das Angehörige durchleben.

Plattensee, UngarnDabei blickt sie auch zurück und porträtiert den Vater in hellen Farben. Sie erzählt von seiner Liebe für Bahnhöfe, die ihn als Kind eines Bahnhofvorstehers lebenslang begleitete und den glücklichen Sommern, welche die Familie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs am Balaton verlebt.

Neu ist es nicht, auch nicht überraschend, Krankheit und Tod gehören in Ungarn immer dazu, ... seit wir die Sommer hier verbracht haben, waren sie hier zu Hause. Nur dass wir jetzt die Hauptfiguren sind, nicht die anderen.
ZSUZSA BáNK - Sterben im Sommer

Neben der Rückschau schreibt Zsuzsa Bánk über die dunklen Gefühle im Angesicht des Todes. Sie erzählt von Momenten der Ohnmacht und Wut, wenn ein empathieloser Arzt ungerührt Niederschmetterndes verkündet; von der Beklemmung, die sich beim Betreten der Kliniken breitmacht; und von dem Drang der plötzlich rasenden Zeit.

FriedhofDenn der Tod ist unabwendbar und gemeinsame Minuten werden kostbar.

Im Moment ... ist meine Mutter ohne Gegenwart, ohne Zukunft. Die Vergangenheit ist der Zeitraum, in dem sie sich bewegt, aus der Vergangenheit führt kein Weg ... in so etwas wie ein Jetzt, ein Morgen.
ZSUZSA BáNK - Sterben im Sommer

Und so ist es vor allen ein Buch über den emotionalen Aufruhr geworden, den Angehörige in einem Sterbejahr durchleben. Ein Jahr des Abschieds, des Erinnerns, der Trauer, des bürokratischen Abschluss eines Lebens und des vorsichtigen Herantastens an eine neue Situation. Als der Nachlass gesichtet, der letzte Vertrag gekündigt ist, steht schon das erste Weihnachten ohne den Vater an. Das auf andere Weise begangen werden muss, als all die Jahre zuvor.

Ein berührendes und sehr persönliches Buch. Zsuzsa Bánk findet mit ihrer ausdrucksstarken und poetischen Sprache Worte für die Trauer und unsere schmerzlichsten Momente.


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