Mogador

Buchcover, Mogador, Martin Mosebach, rowohltPilar ist schön und vermögend, ihr Ehemann Patrick ist clever und erfolgreich. Patrick Elff weiß bis heute nicht, weshalb die stets ironisch distanzierte Pilar ihm das Jawort gab.

Ist ihr Sex auch frei und ungezügelt, beim Geld beginnt die Schamgrenze des Paares. Ein Thema über das man in Pilars Kreisen nicht spricht: Vermögen hat man, Einkünfte muss man sich mühevoll verdienen.

Der Banker Patrick Elff nutzt eine Gelegenheit, die sich ihm auf dem Silbertablett bietet: Das unsichtbare Abzweigen kaum wahrzunehmender Geldflüsse, eine Kunst die Doktor Filter, einst graue Eminenz der Privatbank, immer noch aus dem Effeff beherrscht.

Als Filter den Weg in den Freitod wählt, steht Patrick Elff vor einem Riesenproblem. Ein kühner Sprung aus dem Fenster des Polizeipräsidiums treibt ihn in eine überstürzte Flucht.

Marokko, Essaouria
Mogador heißt heute Essouira

Patrick wählt den Weg nach Marokko und taucht in Mogador unter. Ein Ort, der aus der Zeit gefallen scheint, in der die Fischer dem Meer nichts mehr entreißen und die Männer die Tage am großen Tor verbringen. Ein Reich der verfallenen Riads und des mächtigen Monsieur Pereira, mondäner Kunde der Düsseldorfer Bank, der Patrick noch einen Gefallen schuldet.

In der Medina schlüpft Patrick unter das Dach der geheimnisvollen Khadija, einer alterslosen Frau, die über seherische Kräfte verfügt und mit ihrem treu ergebenem Helfer Karim über ein halbseidenes Imperium herrscht.

Während Pilar verhört ihren Ehemann verzweifelt vermisst, wartet Patrick hoffnungsvoll auf eine Audienz bei Monsieur Pereira. Zum Zeitvertreib freundet er sich mit Karim an und folgt ihm auf eine Reise in die Schattenwelt von Mogador …

Die Gunst der Stunde nutzen

Marokko, Essaouria
Das Meer wirft für die Fischer nichts mehr ab

Essaouira ist eine Hafenstadt an der Küste Marokkos, die vor der Unabhängigkeit des Landes »Mogador« hieß. Heute trägt nur noch eine kleine vorgelagerte Insel diesen Namen.

Autor Martin Mosebach taucht mit seinem Roman tief in das Leben der Küstenstadt ein. Seine Protagonisten sind ihren Familien Entrissene, die eine Laune des Schicksals zusammenführte.

Da ist Khadija, eine Ausgestoßene, die den Unbilden des Lebens trotzte und das Glück in der richtigen Stunde zu packen wusste. Als Kupplerin, Geldverleiherin, Vermieterin und als Seherin herrscht sie über die Huren, die Verzweifelten und den Polizeipräfekten der Stadt. Ihr Helfer Karim treibt träge und ziellos durch die Stadt, wirbt zahlende Kundschaft und macht sich für die Chefin unentbehrlich. Heimlich schneidet er sich seine Scheibe vom Khadijas Glück ab.

Und da ist Patrick, der aus seinem hektischen Leben Gefallene. Durch die Flucht gleitet Patrick in einen traumartigen Zustand der Verlangsamung, ein orientalisches Schweben zwischen Realität und Traum, in der Gestern und Morgen mit der Gegenwart verschwimmen.

Marokko, Essaouria
Die Tage gleiten für Patrick träge dahin

Die Hauptfiguren des Romans nutzen jeder für sich die Gunst der Stunde. Sie ergreifen die einzigartigen Chancen, die das Leben ihnen zuführt. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern mehrmals: weil sie überzeugt sind, es stehe ihnen zu, den eigenen Reichtum zu mehren.

Martin Mosebach schreibt in einer üppigen, sinnlichen und dabei stets präzisen Sprache, die einen mühelos bis nach Marokko trägt. In schwebenden Sequenzen taucht er ein in das Seelenleben seiner Protagonisten, deren Gedanken sich winden und im heißen Nebel des Hammams ihre Konturen verlieren.

Das ungekürzte Hörbuch wird von Joachim Schönfeld gelesen, der den prallen Schilderungen des Autors einen nüchternen Vortrag entgegensetzt. Ein reizvoller Kontrast, der einen fabelhaften Hörgenuss garantiert.

Ein Buch wie gemacht für die ersten kühlen Tage: Gemütlich auf dem Sofa ein heißes Getränk schlürfen und sich entführen lassen – in die sinnliche Welt Mogadors.

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