Wir holen alles nach

BuchcoverSina ist erschöpft. In ihrem stressigen Alltag als Alleinerziehende reibt sie sich auf, zwischen dem Job in der Agentur, den Abholzeiten im Hort und der wenigen Freizeit, die sie gemeinsam mit ihrem achtjährigen Sohn Elvis verbringt.

Zu allem Überfluss braucht Elvis jetzt auch noch Nachhilfe. Wenn er einmal Abitur machen will, wird es höchste Zeit, seine Schulnoten auf Vordermann zu bringen. Kurzerhand engagiert Sina die ehemalige Buchhändlerin Ellen als Nachhilfelehrerin.

Kommenden Januar würden doch schon die Schulempfehlungen gegeben, die für die Zukunft der Kinder so wichtig seien. Natürlich wünsche sie sich, dass der Junge aufs Gymnasium gehe, sie glaube auch, er habe eigentlich das Zeug dazu ...
MARTINA BORGER - Wir holen alles nach

Ellen ist seit kurzem im Ruhestand, ihre schmale Rente reicht hinten und vorn nicht aus. Sie müsste umziehen, aber in München ist es unmöglich etwas Bezahlbares zu finden. Für eine kleinere Wohnung würde sie weitaus mehr zahlen, als ihre jetzige Miete beträgt.

MünchenAlso muss Ellen sich etwas hinzu verdienen. Jede Nacht steht sie um drei Uhr auf und trägt Zeitungen aus, begleitet von ihrem Hund, der still und geduldig nebenher trabt. Und mit den Nachhilfestunden kommt noch etwas Geld obendrauf.

... sie hatte einfach zu wenig in die Rentenkasse eingezahlt. In den Jahren, in denen die Jungs noch klein waren, hatte sie gar nichts verdient ... Erst mit der Stelle in der Buchhandlung hatte sie begonnen, regelmäßig Beiträge abzuführen.
MARTINA BORGER - Wir holen alles nach

Als Sina kurzfristig eine ganztägige Ferienbetreuung für Elvis benötigt, springt Ellen kurzerhand ein. Der Junge frisst einen Narren an ihrem Hund und die drei verbringen unbeschwerte Tage mit Vorlesen, Schwimmen und Ausflügen in den Park.

Alles spielt sich wunderbar ein. Doch dann verbringt Elvis ein Camping-Wochenende mit Sinas neuen Partner Torsten, und Ellen bemerkt, dass Elvis zahlreiche blaue Flecken versteckt …

Vertrauen fassen und Geborgenheit finden

München, ParkMartina Borger hat hat eine einfühlsame Familiengeschichte geschrieben, die davon handelt, wie wir uns jenseits klassischer Familienstrukturen neu organisieren, wem wir vertrauen können – und wem nicht – und wie wir schmerzhafte Verluste überwinden.

Jetzt schließt sie einen Moment die Augen und lauscht den Geräuschen um sie herum, dem Gluckern des Baches, Elvis' lockenden Rufen in Richtung Hund ... den Vögeln im Baum über ihr, dem entfernten Rauschen des Verkehrs ....
MARTINA BORGER - Wir holen alles nach

Der Großstadtroman erzählt von den Nöten Alleinerziehender, von den Schwierigkeiten mit Ex-Partnern und Patchwork-Konstellationen, vom Schulstress und Druck im Job, von den Verlusten, die das Alter mit sich bringt, vom Kunststück, mit einer kleinen Rente in der Großstadt zu überleben – und vom Glück, bei einem anderen Menschen Geborgenheit zu finden.

Borger schaut genau hin, sie legt das Messer in gesellschaftliche Wunden, zeichnet ihre Figuren und deren familiäre Beziehungen sehr plastisch. Und bleibt dabei immer unterhaltsam.

Eine Kunst, die sie bereits früher in ihren – gemeinsam mit Maria Elisabeth Straub – verfassten Büchern gezeigt hat, darunter der wunderbar bissige »Sommer mit Emma« oder auch der unvergessliche Roman »Kleine Schwester«, der von Vernachlässigung innerhalb der Familie handelt.

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